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27.) Mit Rhinos frühstücken


Wo ich nun gerade bin glaubt ihr mir nie! Ich übertreibe kein bisschen, wenn ich sage, dass es mich mitten in die Savanne verschlagen hat! Es könnte jederzeit sein, dass ein Buffelo in unser Garten stampft, abends bei Sonnenuntergang hören wir Löwengebrüll und bei unserer täglichen Fahrt durch die Game Farm sehen wir regelmässig Zebras, Giraffen, Antilopen, Gnus, Nyalas, Vogelsträusse, Mungos, Elefanten und vorallem Nashörner – hier Rhinos genannt. Es ist der absolute Traum – besser als jede Safari. Wo sich dieses kleine paradisische Fleckchen Erde genau befindet, kann ich euch nicht sagen aber dazu später mehr. Erst mal eins nach dem andern:

Nach meinem 14stündigen Flug ab Sydney, kam ich abends in Jo’burg an. Dort wurde ich von Tabou, einem Schatz von einem Menschen zusammen mit andern Volontiers in unser Quartier gebracht, die von Awesome Wort&Travel geführt wird. In den nächsten zwei Tagen hatten wir Orientierungen, mussten Papierkram erledigen und besichtigten in brühender Hitze Soweto und Orlando - ein Quartier von Jo’burg in dem Mandela gewohnt hat - und Pretoria – die Hauptstadt Südafrikas. Pretoria gefiel mir gut aber Jo’burg wollte ich, wie mir schon so viele geraten haben, so schnell wie möglich wieder verlassen. Ich merkte schnell, dass von den rund 22 Volontier, mit denen ich die Unterkunft teilte, nur eine sich für mein Projekt angemeldet hat. Nämlich Sonja aus Bern. Und mit ihr habe ich mich am Freitag in den Bus gesetzt und bin 7 Stunden mit dem Bus in den Norden von Südafrika gefahren. Als wir ankamen hat uns Francois zusammen mit Ruan abgeholt. Francois ist einer von zwei Gründer und Inhaber von „Wild Heart Conservation“ und Ruan arbeitet in den Touristenlodge und ist unser nächster Nachbar – ein Nachbar, der 30 minuten entfernt wohnt. Nach einer weiteren Autostund von der Busstation kamen wir in unserem Camp an. Unser Camp besteht aus zwei Roundavel für die Volontiers, einem Roundavel mit Küche und Gemeinschaftssitzplatz, einem sterbenden Gemüsegarten, einem Pool, einem Feuerplatz, zwei Häuser für Francois und Níall, Stark, eine absolut friedliche Katze, und Toro unser Wachhund. Es ist himmlisch! Und bereits am nächsten Tag gings los:

Um 5 Uhr morgens ist Tagwach nach einer Tasse Kaffee – für mich natürlich Tee – geht es ab ins Feld. Das Feld ist in diesem Fall die Game Farm deren Land 16‘000 Hektar zählt. Das sind 160km2 also die Grösse von Fürstentum Liechtenstein, wie Sonja und ich herausgefunden haben. Bald werden noch 2‘000 weitere Hektar hinzugefügt. Erster Halt ist meistens ein Hügel, Venda 1 genannt, von dem aus wir mit einem Telemeter die Nashörner orten. Drei der vier Nashörner der Farm haben einen Sender an einem Hinterbein und können so lokalisiert werden. Da seit längerem eine Dürre herrscht, fahren wir zu ihnen hin und füttern sie mit Heuballen. Ich könnte ihnen stundenlang zuschauen! Es sind so friedliche Tiere und obwohl sie wild sind, können Francois und Níall sie rufen. Trotz der engen Beziehung, die sie zu ihnen hhabenat, wahrensie einen respektvollen Abstand und es würde ihnen nie einfallen sie zu streicheln. Die vier Nashörner sind Luna, Straighthorn, Little Foot und Mbilo. Little Foot ist das vorangegangene und Mibilo ist das jetztige Junge von Straighthorn. Man dachte bis vor kurzem, dass Luna – bereits 40 Jahre alt – unfruchtbar sei, jedoch stellte man vor wenigen Monaten fest, dass sie nun trächtig ist. Eine sehr erfreuliche Nachricht, da das Jahr 2015 ein sehr trauriges Jahr für das Projekt war… Ihr fragt euch vielleicht warum ich hier so ausführlich von Nashörnern schreibe, wo ich euch doch immer erzählt habe, dass ich in einem Elefantenprojekt arbeiten werde. Nun das ist eben so: Der Elefantenbestand auf der Farm ist eine beachtliche Zahl von 25 Tieren und denen geht es ziemlich gut. Eventuell werden wir nächste Woche ein neues Tier mit einem Sender versehen aber das müssen wir alles vorweg nehmen. Viel gefährdeter auf dieser Farm (und was hier auf der Farm giltet, giltet im Generellen auch für ganz Afrika) sind die Nashörner – wobei es auf dieser Farm nur das white rhino gibt –die wegen ihrem Horn gejagt werden und der Handel um das Horn auf dem Schwarzmarkt ist momentan auf der Höhe der Brutalität. Und genau aus diesem tragischen Grund hat das Projekt letztes Jahr einen massiven Verlust erlitten. Sie haben den Bullen Splithorn verloren. Francois sagte, es sei so schnell gegangen – sie haben nichts mehr für ihn tun können. Deshalb gilt unsere Aufmerksamkeit in erster Linie den Rhinos. Und ehrlich gesagt macht es mir gar nichts aus, da ich die Rhinos mittlerweile genau so liebe, wie die Dickhäuter.

Es war aber, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, als Simbawe, ein ausgewachsener Elefantenbulle am zweiten Tag, einfach aus dem Nichts zwischen den Büschen aufgetaucht ist. Ich war wie erschlagen und rundum wurde es einfach nur ruhig, während er uns nervös begutachtete. Er und ein anderer junger Bulle halten sich noch des Öftern von der grossen Herde entfernt und deshalb sehen wir sie oft auf unserem Streifzug nach den Rhinos. Das letzte Mal erst gerade vor zwei Tagen als die Sonne unterging er sehr viel ruhiger auf uns reagiert hat als auch schon. Keine zwei Meter lief er an unserem Landrover vorbei dem Sonnenuntergang entgegen…

Im Durchschnitt haben wir die Rhinos nach drei Stunden gefunden und dann geht es zurück ins Camp und nach einem Frühstück, haben wir den lieben langen Tag bis am Abend freie Zeit. Man könnte meinen, dass uns nach drei Tagen am Pool hängen, lesen und Musik hören langweilig werden könnt aber nichts der gleichen. Sonja sagt, dass sie sonst nie Zeit so lange Schmetterlinge und Vögel zu betrachten und zu studieren. Unser Camp liegt wirklich an einem paradiesischen Flecken auf der Erde und auch ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich jemals so ruhig und erholt gefühlt habe.

Meist um 17 Uhr, wenn die Sonne nicht mehr so hoch ist und wieder annehmbare Temperaturen herrschen, gehen wir ein zweites Mal raus. Wenn die Rhinos in einer sicheren Zone sind, gehen wir einfach raus, um Präsenz zu markieren und sahen uns in der ersten Woche den Sonnenuntergang am Damm an oder klettern auf die Hügel um die Aussicht zu geniessen. Freitags ist Braai (südafrikanisches Barbeque) angesagt und Christo von der nächsten Farm oder Ruan kommen vorbei und um das Feuer wird dann manchmal oberflächlich, manchmal ernster über das Leben geredet. Über die Wilderei, darüber unterhalten wir uns oft… und obwohl ich darüber relativ gut Bescheid wusste, wurden mir die Brutalität und die Folgen dieses Geschäfts für Afrika erst hier bewusst. Vielleicht muss ich noch an diesem Punkt erklären, was eine Game Farm ist: Nun, es ist ein schlecht gewählter Name aber diese Farm gehört einem gewissen Herren, der diese Farm seit 3 Generationen auf das doppelte vergrössert hat. Diese Farm mit all seinen wilden Tieren drin wird nicht dem Tourismus zu Verfügung gestellt, sondern der Jagt. Viele schrecken nun vielleicht auf und das war ehrlich gesagt auch meine erste Reaktion. Ich will nun an dieser Stelle betonen, dass ich alles so wiedergebe, wie es mir erklärt wurde. Nun Conservation – also wortwörtlich die Konservierung von Wildtieren sprich Naturschutz – bedeutet oft schwierige Wege zu gehen. Das wurde mir hier bewusst, denn es sind herzzerreissende Geschichten darunter... Ein Freund meiner Familie war über Jahrzehnte der Wildhüter beim Zürcher Zoo und auch er versuchte mir schon als kleines Mädchen beizubringen, dass Tierliebe nicht bedeutet alle Tiere zu retten. Auch als ich in der Primarschule war, war die ganze Familie einer Schulfreundin passionierte Jäger. Deren Vater erklärte mir, dass für die Erhaltung der Natur die kranken, schwachen und alten Tiere abgeschossen werden müssen. Denn das erste Gesetz der Natur lautet: Der Stärkere überlebt. Nur: Natur existiert eigentlich nicht mehr. Der Mensch hat überall auf dem Planeten über ganze Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, viel zu viel zerstört. Und nun ist es auch wieder die Aufgabe des Menschen die Artevielfalt zu gewähren.

Ein Beispiel: Man fokusierte sich jahrelang auf den Schutz der Elefanten und nun hat sich der Bestand erholt – sogar zu gut. Denn gibt es zu viele Elefanten, trampen die alle Gräser nieder und reissen alle Bäume mit sich. Damit zerstören sie Lebensraum und Nahrung anderer Tiere und manche Vogelarten könnten aus dem Gebiet verschwinden und Nyalas und andere Antilopen verenden kläglichst, auch weil die Vögel, die in den Bäumen gelebt haben, nicht mehr da sind um die Grassamen fort zu tragen. Sogar unsere Rhinos leiden darunter… Dies war kein nachhaltiger Artenschutz… Der Besitzer der Gamefarm bekommt Geld dafür, dass er die Tiere, die auf seiner Farm von passionierte Jäger abgeschossen werden und mit dem Geld kauft er wieder Futter für andere Tiere oder auch andere Tiere zum Beispiel nun wieder einen jugen Rhinobullen mit dem sich unsere Mädels vermehren könnten. Francois sagte, er hätte uns all das mit der Jagt sehr einfach verheimlichen können. Doch er wollte mit offenen Karten spielen und gab uns auch die Möglichkeit das Camp zu verlassen, wenn wir damit nicht umgehen können oder wollen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar und natürlich blieb ich. Ich habe Francois gefragt, ob er jemals auf einen Löwen schiessen würde und dies vereinte er wehemend. Er schiesst nur auf schwache Tiere und deren Fleisch man wiederverwenden kann. Wegen dem Jagen und der Tatsache, dass sie auf einer Game Farm lokalisiert sind, werden sie auch oft auch virtuell angegriffen sprich sie mussten sich auf Facebook schon auf das Übelste beschimpfen lassen. Meiner Meinung nach von Tierschutzaktivisten, die sich viel zu wenig informieren. Und dies alles im ersten Jahr… Ein harter Start für ihre Company „Wild Heart Conservation“… Nìall und Francois haben as Herz am richtigen Flecken und sie machen dies alles ohne entlohnt zu werden. Knapp kommen sie mit dem Geld, dass sie von den Volontiers kriegen über die Runden. Sie machen es, weil es das Richtige ist und weil sie nicht aufhören zu glauben, dass sie etwas zum Besseren ändern können. Und ich kann euch sagen sie sind hinreissend und ich finde die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen einfach nur köstlich.

Die einzigen Tiere, die auf der Farm rein gar niemand anrühren darf, sind die Rhinos und die Elefanten. Das Horn des Rhino geht in die Millionen. Das wissen viele und lassen sich von diesem Geld ködern – so wie es letztes Jahr passiert ist. Splithorn wurde Opfer der Wilderei. Das ist auch der Grund, warum ich euch zu Beginn gesagt habe, dass ich euch nicht genau sagen kann, wo ich bin. Das ist eine ungeschützte öffentliche Internetseite und wer weiss, wer das alles liest… all das muss man beachten, wenn man hier lebt. Wir wurden sogar angewiesen keine Fotos zu posten, die den Westen zeigen, da man da einen markanten Berg sieht, von dem man den Standort schnell herausfinden könnte.

Einmal pro Woche suchen wir uns einen zufälligen Abend aus, wo wir nach Sonnenuntergang die Grenze zur Farm abfahren und beleuchten. Einfach nur, um Präsenz zu markieren und um den Wilderer zu zeigen, dass jederzeit jemand auftauchen könnte. Ich muss sagen, als wir dies zum ersten Mal gemacht haben, klopfte mein Herz merklich schneller. Auch als wir einmal die Rhinos über vier Stunden nicht fanden und wir wegen der Hitze wieder umkehren mussten, war das ein beklemmendes Gefühl für mich… Ein Gedanke liess mich nicht los: „Was wenn nun etwas passiert ist?“ Wir fanden sie dann am Abend in einer Mulde der Hügelkette, wo das Signal nicht hinreichte. Und all die Angst und die Wilderer sind vergessen, wenn man den Rhinos wieder beim Heumampfen zusieht.

Eines Morgens hatten wir den genialen Einfall Tee, Kaffee und Muffins einzupacken um mit den Rhinos zu frühstücken. Wer will schon Tiffanys frühstücken, wenn man dies auch mit Rhinos tun könnte? Ein so spektakuläres Frühstück, werde ich bestimmt länger nicht mehr haben…

Eure in die Savanne verliebte Laura

P.S. Wer sich mal das Projekt noch genauer anschauen möchte: Hier eine Doku eines ehemaligen Volontiers:

https://youtu.be/XmGZ3TZGzL8


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