Here we are… ab nach Washington. Fünf müde Gestalten fanden sich an einem Samstagmorgen auf einem schmalen Parkplatz zwischen der 7th und 8th Avenue zusammen, als Julien bei seiner Ankunft sagte: „Wenn wir in Washington sind, kann ich leider nicht mit euch mitkommen…“ Wir ganz benommen: „Wieso denn das?!“ (imagine his French acent) „At 2 p.m. I will have a meeting – Obama is waiting for me“ Der Lacher war gesichert!
Der Bus, war neben uns mit 60 andern Leuten gefüllt. Alles Schüler oder Studenten, die sich für diese Tour angemeldet haben. Von den meisten bekam ich wenig mit, da ich ja meine eigene kleine EC Gruppe hatte. Aber Cecile, die Tourführerin, bestand darauf, dass wir uns einmal das Mikrofon schnappten und uns in 4 Sätzen vorstellen sollen. Es blieben mir nicht viele in Erinnerung aber einer war prägnant. Er war deutlich über 40 Jahre alt, hiess Douglas, kam aus Schweden und sei Schauspieler. Man habe ihn schon in Filmen sehen können. Kennt ihr den Film „The impossible“ mit Ewan McGregor und Naomi Watts? Er heisst meiner Meinung nach so, weil es unmöglich ist, bei diesem Film nicht von der ersten bis zur letzten Minute zu heulen. Eine englische Familie versucht sich nach dem Tsunamiin Thailand wieder zu finden. Habt ihr den Schwedischen Jungen präsent, der dann im Spital seinen Vater wiederfindet? Genau dieser Vater hat Douglas gespielt.
Um 10 Uhr hielten wir an einer Raststätte in Delware, um uns die Beine zu vertreten und ganz amerikanisch Bagel und Kafee zu geniessen. Während der ganzen Busfahrt von NYC nach D.C. hatte ich endlich das Gefühl, in dem Amerika zu sein, dass ich von den Roadtrips in Florida und California mit meiner Familie kannte. Industrie, Malls, nichts, Industrie, Malls, nichts. Ausser um D.C. herum und um Baltimore. Dort hatte es wirklich ganz nett aussehende Einfamilienhäuser, die nicht nur aus Pappkarton zu bestehen scheinen. Sahen echt gemütlich und solide aus!
Während der Busfahrt liessen sie „Forrest Gump“ laufen. Und obwohl ich den Film schon mindestens 20 Mal gesehen habe, weil ich ihn sooo liebe, habe ich eine Perspektive das erste Mal wirklich verstanden. Nämlich, der warum die Amis so sicherheitsfanatisch sind – ist ja allgemein bekannt aber in Washington bekommt dieser ganze Fanatismus nochmals eine ganz andere Dimension – glaubt mir… Aber wie viele Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, werden in dem Film erschossen? Fünf Personen? Natürlich haben sie dann davor Panik…
In Washington angekommen fuhren wir durch die berühmte Strasse, die so ziemlich fast alle Botschaften aus aller Welt beherbergte. War die Flagge nicht draussen, bedeutet dies, dass der Botschafter gerade ausser Haus ist. Wir wurden dann an der Pennsylvania Avenue rausgeschmissen und sahen so erst die Nordseite und dann die berühmte Südseite des Weissen Hauses. Und wisst ihr was? Im Film sieht es sehr viel spektakulärer aus… Was mich aber dafür wirklich tief beeindruckte, war die ganze Memorial Constitution sprich das Washington Monumental und natürlich das Lincoln Memorial. Im Hop on Hop off Style wurden wir an alle Sehenswürdigkeiten rausgeschmissen und dann wieder eingesammelt. Finde ich eigentlich ganz doof diese Raus-ein-Foto-machen-und-wieder-ab-nach-Hause-Kultur. Aber ich realisierte auch etwas: Kein Selfiestick auf der Welt kann so gute Fotos machen, wie wenn du jemand anders dafür bittest- und das bringt Leute wiederum zusammen. Mensch ich sagts euch, diese verfluchten Selfiesticks. Man könnte meinen, sie hätten das Gedränge an Sehenswürdigkeiten verringert aber sie machen es nur noch schlimmer! Wisst ihr was eucht das aller aller Unmöglichste ist? Mütter mit Kinderwägen und Selfiesticks. Der absolute Lacher war, als ein Telefon klingelte und der Besitzer gezwungen war mit dem Selfiestick sich sein Telefon ans Ohr zu halten. Julien hatte es Gott sei Dank festgehalten und ist der absolute Brüller, wenn man das sieht.
Gut weiter im Text: Dort aber, in THE MALL, hatten wir über eine Stunde Zeit und es war einfach nur beeindruckend! Allgemein ist alles so unsäglich schön gepflegt in Washington und man fühlt sich als Europäer so wohl, weil kein Gebäude höher als das Capitol ist – so wie es das Gesetz vorschreibt. Über das Lincoln Memorial, wo auch ich meine eigene Abneigung zu Selfies über Bord warf und eins mit Mister Lincoln himself machte, ging es zu den Korean und Vietnam Veterans Memorial. Während wir vom Reflecting Pool weg zu den Gärten gingen, bemerkten wir die Freiwilligen, die in diesem Park arbeiten. Es gibt eine beachtliche Zahl von Menschen, die sich freiwillig dazu bereit erklären für die Nation das Kulturerbe zu erhalten und sich Freiwilligenarbeit anmelden. Das war zum Beispiel eine Lady, die ein fettes Telefonbuch in den Händen hielt, indem sie dir sagen kann, wo dein Verwandter seine Gravur auf dem Marmor hat, damit du seinen Namen mit Bleistift und Papier abpausen kannst, um es nach Hause mitzunehmen. So ist anscheinend der Brauch. Oder die, die dir genau für diesen Brauch auch eine Leiter reichen, weil dein Verwandter im Vietnam Krieg ganz oben auf der Tafel versehen ist. Aber dann gab es auch die Leute, die offensichtlich betagte Männer in Rollstühlen herumschoben – nämlich die Kriegsveteranen. Etwa 20, 30 Männer waren in diesem Memorial Park mit uns anwesend, die im Korea oder Vietnam Krieg gekämpft haben. Andres sagte mir später, während sie noch darüber diskutierten, ob sie einfach jemanden ansprechen sollen, sei ich schon lange bei einem ehemaligen Soldat gewesen. Sie waren so froh und packten die Gelegenheit und nahmen bei uns Platz. Bewusst habe ich einen Veteran am Ende des Brunnens ausgesucht – erstens es war schattig und zweites kamen viele Touristen gar nicht so weit und wir waren sehr ungestört. Ich schüttelte ihm die Hand, stellte mich vor und fragte ihn ob er so nett sei mir ein paar Fragen zu beantworte. Bereits wollte er von seinen Erzählungen aus dem Korea Krieg beginnen, als ich lediglich fragte, wie für ihn denn das sei nun wie ein Ausstellungsobjekt behandelt zu werden. Und da holte er aus (man sah gleich, dass es er beim Erzählen richtig aufblühte)
John McAllister diente als amerikanischer Jäger von 1951 für 2 Jahre lang in Korea. Ganz ehrlich? Von dem Krieg wusste ich nichts. Man hört nur immer meiner Meinung nach vom Vietnamkrieg aber Korea? War mir nicht bekannt. Jedenfalls erinnert sich er mehrheitlich an folgendes: Schachspielen. Sie spielten unendlich lange Schach bis es einmal zu einem Einsatz kam, wo sein Zelt von einer Bombe getroffen wurde. Dies realisierte er aber erst im Morgengrauen, als ihm klar wurde, dass er die ganze Nacht neben 2 bereits toten Soldaten geschlafen hat. Er selber kann sich nicht mehr an die Explosion erinnern. Mehr hat ihn jahrelang das Aufwachen am nächsten Morgen, nicht mehr schlafen lassen. Bis heute könne er nicht länger als 3-4 Stunden schlafen. Auf meine Frage, ob er dann überhaupt in der Lage gewesen sei, seine Arbeit aufzunehmen, meldete sich Joel zu Wort – der Mann, der die freiwilligen Arbeit erledigt und mit ihm zu Touristen spricht. Man muss eines verstehen: Amerika zu hinterfragen ist meiner Meinung nach nie falsch… Joel betonte die ganze Zeit, er sei kein Anwalt aber er schaue darauf, dass John gerecht behandelt wird. Ganz ehrlich? Er war meiner Meinung nach doch in einer gewissen Art und Weise ein Anwalt sowohl für John als auch für die Vereinigten Staaten. Er hörte sehr genau zu, was John uns erzählte… Denn Joel hatte selber auch jahrelang für den Irak gedient bis er zurückkam und nun für 2 Organisationen arbeitet. Die erste Organisation kümmert sich, um die Hinterbliebenen und teilt deren Trauma und Kriegsschäden in diverse Levels ein, um einzustufen, wie beeinträchtigt die Soldaten vom Krieg zurückkommen. Man hat dies ins Leben gerufen, weil natürlich viele kamen, die für manche Einsätze zu jung waren oder vorgaben mehr vom Krieg geschädigt zu sein, als dass sie es wirklich waren. Die zweite Organisation ist für das Erhalten der Geschichte zuständig. Denn leider brannte das Gebäude mit dem Archiv über den koreanischen Krieg vor vielen Jahren komplett ab und so sind Organisationen aus erster Hand von unschätzbarem Wert. Und John? Der konnte nach dem Krieg ziemlich sicher weiterarbeiten nämlich als Ingenieur für jede Art von Freizeitflugobjekten, hat geheiratet und hat 5 Kinder. Raiza fragte, um ein Foto, was mir wirklich unangenehm war. Genau dies wollte ich eigentlich vermeiden und den Herren einfach nur zuhören, um ihnen den gebührenden Respekt zu erweisen. Es gibt Momente, die muss man nicht für immer und ewig digital aufbewahren aber das ist genau die Divergenz der Kulturen von der ich im folgenden Abschnitt schreiben werde…
Es war mit diesem Erlebnis ein beeindruckender Nachmittag und ich hätte noch ewig unter diesen Linden sitzen können aber es war Zeit zum Bus zurück zu kehren. Nach dem Jefferson Memorial und dem Kennedy Center wurden wir zu unserem Hotel in Georgetown gefahren, wo wir uns frisch machten und dann wieder in die Stadt oder besser gesagt, ins Städtchen zurückkehrten, um einen Burger im HARD ROCK CAFE zu verdrücken. Mein Gott was habe ich an diesem Abend gelacht! Unglücklicherweise kann ich die Anekdoten hier nicht ausführen, weil erstens auch Minderjährige diesen Beitrag lesen und zweitens, weil das ja sowieso nur für den Moment selbst funktioniert. Aber wenn ihr’s wirklich wissen wollt, dann erinnert mich im Februar daran euch zu erzählen, wie Franzosen French Kiss definieren.
Ich liebe es alleine in einem Appartment oder in einem Zimmer zu sein. Aber wenn du auf so Reisen oder Klassenfahrten gezwungen bist, mit andern in einem Raum zu schlafen lernst du Menschen auf eine ganz andere Art und Weise kennen. Kann gut oder schlecht herauskommen aber in meinem Fall an diesem Wochenende kam es ganz besonders gut heraus. Und durch diese Nähe, beginnen auch die wirklich interessanten Gespräche, wie es Andres so schön sagte. Sei es, das man über das Öl in der Küche, die Sexualität oder Alltagsrituale spricht (Ich dachte immer an Jenny, wenn ich von jemanden wusste, dass sie gerne Zähne putzte und nun kenne ich noch jemanden Marta – dass man eine solche Passion für seine Zahnhygiene hinlegen kann – unglaublich :), man lernt Menschen kennen. Klingt simpel aber es ist einfach für mich etwas vom interessantesten, dass es gibt. Du fragst deinen Tischnachbar, wie denn das bei ihm in seinem Land von Statten geht, ob man ein Mädchen nach Hause begleiten soll oder nicht. Seine Antwort: „Kann ich dir nicht sagen, ich war nur immer mit Männer zusammen““ Booom – zack – eine neue Ebene der Freundschaft. Oder Raiza fragte Marta und mich ob es uns was ausmachen würde, wenn sie beten würde. Natürlich nicht aber dann machte sie etwas unglaublich schönes und frage, ob ich mitbeten wolle. Erst beteten wir zusammen das Vater-unser auf Portugiesisch, dann auf Deutsch, dann gab es den Intervall der Meditation und persönlichen Botschaft bis wir beide uns bereit fühlten zusammen Amen zu sagen. Ein wirklich beeindruckender Moment.
Noch ein Beispiel für die wirklich berührende Offenheit der Menschen hier: Im Spacemuseum vom Smithsonian, kam Raiza aufgeregt zu mir und fragte, ob ich an den Urknall glaube. Ich bejahte und sie nahm dies einfach hin – ich fand das so stark von ihr! Julien sagte mir später, dass er nicht gedacht hätte, dass es immer noch Menschen gibt, die sich wirklich fragen, welche der beiden Theorien wahr sei. Die der 7 Tage oder eben der Big Bang. Als ich ihm sagt, dass für mich persönlich beides stimmt, konnte er es erst nicht fassen aber auch Andres vertritt die ganz genau gleiche Auffassung wie ich und wie selbstverständlich erläuterten wir die Standpunkte. Bom – zack- neue Ebene der Freundschaft. Nur an einem Punkt wurde es kritisch an diesem Wochenende… Wir waren im Martin Luther King Jr. Memorial und es war bildschön konstruiert. In grauem Marmor standen die prägnantesten Sätze aus seinen Reden (wusstet ihr, dass er auch einmal in Norwegen eine Rede hielt?), die seine eigene Statue aus weissem Marmor umrundete. Als ich so in mitten diesen wirklich tiefgreifenden Sätzen sass, machte mich eins nachdenklich: Wie können Menschen vor diesen Sätzen stehen, nicken, Foto machen und trotzdem ihres Weges gehen? Und eben nicht wie King sagte: Eine Karriere in Menschlichkeit anstreben. Darauf kam ich, weil ich jedes Mal, wenn ich in den letzten Tagen ins Facebook ging, das Foto mit Aylan entgegenschlug. Wenn man keine Medien verfolgt, war das sehr irritierend all diese Bilder vorzufinden. Julien und Andres bemerkten, dass ich in Gedanken war und das Thema (dass ich vor allem mit den Italienern hier akribisch vermieden habe) Flüchtlinge kam auf den Tisch. Zwischen einer Italienierin, einem Spanier und einem Franzosen stand ich auf ziemlich verlorenen Posten. Versteht mich nicht falsch! Es wurde zu keinem Zeitpunkt laut oder emotional – ich denke auch, weil ich jetzt viel relaxter bin als normalerweise aber ich musste bei Punkten einlenken, von denen ich in der Schweiz nichts mitkriege und sie haben eingeräumt, dass ganze System Lücken hinterlässt, die an der Menschlichkeit kratzen.
Das weitere Tagesprogramm: Am Morgen waren wir im Arlington Cemetery und konnten uns einander von Geschichten unseren Verwandten im und nach dem zweiten Weltkrieg erzählen (Julien und ich fragten uns plötzlich, wie betroffen Südamerika von dieser Periode war und wir liessen es uns gleich von Raiza erzählen – und wusstet ihr warum Franco in Spanien die gleiche Zeit wie Paris wollte? Wegen den Bomben aus Deutschland)
Nun denn… der Rest des Nachmittags verging so, dass wir im Space-Museum verbrachten (fand ich persönlich eher weniger prickeld aber ich musste oft an dich denken Clemens – du hättest es noch zusätzlich geliebt, weil drin ein McDonald’s war) und dann sich die Gruppe mit mir erbarmte und wir die Unabhängigkeitserklärung bestaunen gingen. War natürlich auch mal wieder nicht im Film, wie es Nicholas Cage demonstriert aber ich wollte um jeden Preis den folgenden Satz im Original lesen: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness“
Tja und dann ging es auch schon wieder zurück… Wir erreichten zufrieden und gesund Manhattan. Bevor wir aus dem Bus stiegen, dachte ich, wie gern ich die saubere Luft in Washington genossen habe. Aber als mir der Duft von New York in die Nase stieg, der angenehmere und weniger angenehmere Zutaten mit sich bringt, dachte ich, wie vertraut mir der Geruch bereits ist… I missed you Manhattan… Ich versprich dir nächstes Wochenende bin ich ganz und gar für dich da ;)
Innigst eure Laura