Etwas, das ich doch loswerden will: Das Thema der Obdachlosigkeit in NYC… Gerade hatte ich diesen Eintrag fertig geschrieben, als ich auch Facebook Yonni Meyer’s letzten Eintrag sah. Natürlich schaffte sie es wieder einmal mir mit ihrer Sichtweise der Dinge, ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Für die, die sie nicht auf Facebook abonniert haben: Sie ist gerade in London und hatte eine dieser besonderen Begegnungen, von denen ich auch schon berichtet habe. Diese serendipity-Momente, die man meist gar nicht kommen sieht. Ihr Mann, der auf der Strasse sass heisst Ian. Und Ian erklärte ihr, dass sie gerne über ihn schreiben dürfe, denn man solle doch nur über schöne Dinge schreiben, obwohl die Menschen nur Schreckliches lesen wollen.
Im Gegensatz zu Yonni’s Ian, strahlen die Obdachlosen hier in NYC nie. Verstehe ich auch. Denn praktisch 10 Mio. Menschen rasen an dir tagtäglich vorbei und geben vor, dich nicht zu registrieren. Dann gibt’s wirklich nichts mehr zu lachen. Ich dachte, dass einem die Obdachlosen in New York nur so extrem auffallen, weil allein Manhattan so viele Einwohner wie die Schweiz hat. Im Internet habe ich aber gelesen, dass es seit einer Zählung anfangs 2015 so viele Obdachlose gibt, wie seit der grossen Depression nicht mehr. 58'270 an der Zahl. Das heisst von 344 Menschen in New York City lebt jemand auf der Strasse. 70% von diesen Menschen leiden an mentalen Krankheiten. Das sie daraus rauskommen, ist schlicht unmöglich. Um von mentalen Leiden geheilt zu werden, braucht man professionelle Hilfe und ein intaktes Umfeld. Alles, was diesen Menschen fehlt und so werden sie nie einen Job finden können und nie ein Heim erwerben. Denn hier in Amerika giltet: Wer ein Job will, braucht eine Bleibe, wer eine Bleibe will braucht einen Job. Wir fragten unseren Lehrer Brett, ob es denn keine Hilfsprogramme gibt. Doch aber diese Hochhäuser am Rande von Brooklyn seien restlos voll. Hört man nicht zum ersten Mal oder? Und hier gibt es kein Pfarrer Sieber… alle registrieren es und wissen nicht was und ob man dagegen etwas tun kann.
Letzte Woche sah ich eine Frau mit dem Schild: „Sh*t it happend to me“ Noch sah sie sehr gepflegt aus und hatte einen Rucksack bei sich. Sie setzte sich zu einer Frau, die deutlich länger auf der Strasse war und die ältere Frau tröstete die junge Frau. In meinem Kopf spielte sich ein Film ab. Alltägliches Leben, alltägliche Kindheit, studiert, keinen Job darauf gefunden, Schicksalsschlag und der Strudel nahm seinen Lauf. Ich habe gelesen, dass wenn in derselben Lebensphase zwei Schicksale auf einmal kommen, ist man potenziell gefährdet auf der Strasse zu landen. Paar Tage später stand ich auf dem Gehsteig und fotografierte das Empire State Building in der Nacht, als jemand seine Schuhe nach mir geworfen hat. Ich sah mich um und sah einen Mann mit wutverzerrten Gesicht. Um ehrlich zu sein, ich konnte ihn verstehen… Ich wäre auch wütend. Ich habe immer bisher in meinem Leben versucht nach dem besten Wissen und Gewissen zu handeln und würde mir dieses Schicksal wiederfahren, dann wäre ich auch wütend.
Das Bild oben habe ich gestern aufgenommen und berührte mich sehr... aber kann ein Sandwich das wieder gut machen? Oder ist dadurch nur dein eigenes Gewissen beruhigt? (Der Moment, indem ich dieses Bild übrigens abknipste, war so total NYC: For die Fashion Week stolperte ein Model die dreistufige Treppe eines Hochhauseingangs rauf und runter und hinter der Szene dieser Mann) Ein paar Stunden später, sah ich einen Mann, der auf dem Schild schrieb, dass er heute 26 Jahre alt wurde. In eineinhalb Jahren werde ich auch 26. Die Schicksale sind so viel näher als wir denken. Und ganz ehrlich ich kann nichts tun… Und soll ich nochmals ehrlich sein? Ich könnte aber ich kann – nein - will nicht.
Ich will mich jetzt auf mich und meine Reise konzentrieren. Ich weiss, es ist mein gutes Recht aber das macht das schlechte Gewissen nicht wieder gut. Es ist genau dasselbe wie mit der Flüchtlingspolitik gerade in Europa. Alle könnten jemanden in ihrer Wohnung oder in ihr Haus aufnehmen. Denn jeder, ob links oder rechts orientiert, versteht, dass diese Menschen nicht vorwärts- und nicht rückwärtsgehen können. Die Grenze der Menschlichkeit zu überschreiten und wirklich sinnvoll zu helfen, scheint aus irgendeinem Grund unüberwindbar zu sein.
Ich werde aber nicht aufgeben! Ich denke aber nicht daran, nicht mehr zu glauben. Ich glaube daran, dass es irgendeine Regierung, irgendeine Partei oder irgendjemand geben wird, der weiss was zu tun ist. Nie! Nie werde ich aufhören dies zu glauben!
Bis dahin bleibt nur diese kleine Hommage an alle Menschen ohne Heim: Ich sehe Euch. Ich bewundere Euch. Ich verneige mich vor Euch. Ich wünsche Euch gebende Hände und die Kraft nie den Glauben zu verlieren.
Laura